Das Museum Wiesbaden restituiert ein NS-verfolgungsbedingt entzogenes Gemälde an den Erben von Leo Rappoport. Eine Rückgabe mit Signalwirkung.
Das Museum Wiesbaden restituierte am 28. Juni 2025 das Gemälde Landschaft mit Schafherde von Hans von Bartels und gibt es an den Erben nach Leo Rappoport (1873–1944) zurück. Das Gemälde war im November 1942 für die Gemäldegalerie der Stadt Wiesbaden über die Vermögensverwertungsstelle des Finanzamtes Wiesbaden erworben worden. Die Recherche der Provenienzforscherin Miriam Olivia Merz hat ergeben, dass das Gemälde aus dem zuvor beschlagnahmten Eigentum von Leo Rappoport stammte und ihm 1942 NS-verfolgungsbedingt entzogen worden war.
Die Washingtoner Prinzipien von 1998 sind eine internationale Vereinbarung zur Aufarbeitung von NS-Raubkunst. Sie fordern die Identifizierung, Erforschung und öffentliche Dokumentation von während der NS-Zeit entzogenen Kulturgütern sowie eine gerechte und faire Lösung mit den Erben der ehemaligen Eigentümer – etwa durch Rückgabe oder Entschädigung. Auch Deutschland hat sich zur Umsetzung dieser Prinzipien verpflichtet.
„Dem Museum Wiesbaden ist es sehr wichtig, die Provenienzen aller Werke der Sammlung zu klären, um nachweislich unrechtmäßig erworbene Werke an die Eigentümer zurückgeben zu können“, so Dr. Andreas Henning, Direktor des Museums. „Wir freuen uns, das Landschaftsgemälde von Hans von Bartels nun nach so vielen Jahrzehnten und infolge proaktiver Recherchen durch die Zentrale Stelle für Provenienzforschung Hessen dem Nachfahren der verfolgten Familie zu übergeben. Die Rekonstruktion der Objektbiographie des Gemäldes war eng verbunden mit der näheren Erforschung der Lebenswege und Schicksale von Leo und Berta Rappoport aus Wiesbaden. Dies zeigt, welche Bedeutung Provenienzforschung über die reine Prüfung der Herkunft von Kunstwerken hinaus hat.“
Wer waren Leo und Berta Rappoport?
Leo Rappoport wurde 1873 in Gilgenburg (Ostpreußen) geboren und lebte seit 1923 in Wiesbaden. Im Dezember 1936 heiratete er seine zweite Ehefrau Berta Rappoport, geb. Falk. Als Juden gehörten die Eheleute ab dem 30. Januar 1933 zur Gruppe der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung und Enteignung. Ihr Haus in der Wallufer Straße in Wiesbaden wurde im August 1942 mitsamt der Einrichtung zugunsten des Deutschen Reichs beschlagnahmt.
Am 1. September 1942 wurden Leo und Berta Rappoport in das Lager Theresienstadt deportiert. Kurz darauf wurde ihr gesamtes Eigentum, darunter 13 Ölgemälde, über das Wiesbadener Finanzamt verwertet. Museumsdirektor Hermann Voss hatte damals Gelegenheit, die Gemälde zu besichtigen, und wählte das Landschaftsbild von Hans von Bartels für die Wiesbadener Gemäldegalerie aus.
Leo Rappoport wurde am 29. Mai 1944 in Theresienstadt ermordet. Seine Ehefrau Berta überlebte. Sie wurde mit einem Rot-Kreuz-Transport in die Schweiz evakuiert, wo sie ihren zweiten Ehemann Alfred Schindler heiratete. Berta Schindler verstarb im September 1982 in der Schweiz.
Verpflichtung zur Aufarbeitung
Das Land Hessen als Träger des Museums Wiesbaden bekennt sich zu den Washingtoner Prinzipien von 1998 und der Gemeinsamen Erklärung von 1999. Hiernach soll unrechtmäßig während des Nationalsozialismus entzogenes Kulturgut identifiziert und mit den Erben eine gerechte und faire Lösung gefunden werden. In diesem Sinne restituiert das Museum das Gemälde an den Erben nach Leo Rappoport und Berta Schindler.
Auch Dr. Peter Forster, Kustos für Alte Meister, begrüßt die Rückgabe: „Das Museum Wiesbaden legt den allergrößten Wert darauf, sich kein zweites Mal schuldig zu machen und begangenes Unrecht im Rahmen seiner Möglichkeiten auszugleichen. Die hier durchgeführte Restitution steht genau für diese Haltung!“
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Foto – Hans von Bartels (1856-1913), Landschaft mit Schafherde. Foto: Museum Wiesbaden, Bernd Fickert
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