Partnerschaftsweinstand Kamjanez-Podilsky, Ukraine
Gut 1610 Kilometer trennen Wiesbaden von Kamjanez-Podilsky, der ukrainischen Partnerstadt in der historischen Region Podolien. Doch in diesen Tagen fließt die Verbindung in Gläsern: Beim Weinfest schenken Mitglieder des Wiesbadener Partnerschaftsverein Kamjanez-Podilsky und Ukrainer ihre Weine aus – Tropfen, die es in Deutschland kaum zu kaufen gibt. Sekt, Rosé, Weiß- und Rotwein aus Odessa, den Karpaten und vom Schwarzen Meer bringen nicht nur neue Aromen, sondern auch Geschichten einer jungen Städtepartnerschaft.
Zwei Jahre Freundschaft – entstanden im Krieg
Der Verein besteht schon seit über 30 Jahren, aber erst seit zwei Jahren verbindet Wiesbaden und Kamjanez-Podilsky eine offizielle Städtepartnerschaft. Gegründet wurde sie als Zeichen der Solidarität nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. „Städtepartnerschaften entstehen nicht im Rathaus, sondern in der Zivilgesellschaft“, betonte Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende der die Einladung zur Weinprobe am Städtepartnerschaftsweinstand zusammen mit Stadtverordnetenvorsteher Dr. Gerhard Obermayr am Samstagmittag gerne nachgekommen ist. Den Betrieb haben in diesem Jahr Tatiana Pastuschok und Susanne Vögtler vom ukrainischen Partnerschaftsverein übernommen – mit Unterstützung von Michael Linnemann vom Partnerschaftsverein San Sebastian, der als „Mr. Weinstand“ gilt.
Wein, der Brücken baut
Über Polen, oder dann doch über Rumänien, – die Anreise der Weinflaschen war eine logistische Herausforderung. Jetzt stehen sechs verschiedene Weine auf der Weinkarte: zwei Sekte, zwei Weißweine, ein Rosé und ein tiefroter Petit Boucher. Pia Hermanns aus dem Rheingau, eigentlich klinische Genetikerin und Tochter eines Winzers, groß geworden zwischen Reben in den Weinbergen führte durch die Probe, erklärte Rebsorten, Böden und Ausbauverfahren – und brachte den Gästen zusammen mit Tatiana Pastuschok das ukrainische „Prost“ bei: „Budmo!“.
Mehr als nur Genuss
Der Partnerschaftsweinstand ist auch ein Ort der Begegnung. Ehrenamtliche leisten rund 125 Stunden Standdienst, um Gästen nicht nur Wein, sondern auch ein Stück gelebte Solidarität zu schenken. Die gesamten Erlöse fließen an den Partnerschaftsverein Wiesbaden–Kamjanez-Podilsky.

Von diesem Geld werden Projekte finanziert, die direkt den Menschen in der ukrainischen Partnerstadt zugutekommen: Hilfslieferungen mit Lebensmitteln, Medikamenten und Generatoren, Unterstützung für zerstörte Schulen und Kindergärten, aber auch kulturelle und sportliche Begegnungen, erklärt die Vorsitzende Vögtler. Geld und Spenden, die vor kurzem erst die Kosten für den Aufenthalt von 40 ukrainischen Kindern in Wiesbaden ermöglichten – zehn Tage fern vom Kriegsgeschehen, organisiert von Ehrenamtlichen, finanziert durch Spenden und Crowdfunding.
„Jedes verkaufte Glas hilft doppelt – es bringt Genuss ins Weinfest und Hoffnung nach Kamjanez-Podilsky“, fasste Oberbürgermeister Mende zusammen.
Ein Fest für den Gaumen
Die Auswahl am Stand las sich wie eine kleine Weinreise durch die Ukraine: Los ging es mit einem spritzigen weißen Sekt aus der Region Odessa, hergestellt nach der Charmat-Methode, die eine zweite Gärung im Tank vorsieht und fruchtige Frische bewahrt. Danach folgte ein Rosé-Sekt aus den Karpaten, mineralisch und aromatisch, mit feiner Säure – ein idealer Begleiter zu würzigen Speisen. Ein Tropfen, der sich im Mund wohl entwickelt und eine feine Geschmacksexplosion bietet.
Danach kamen zwei Weißweine aus der Schwarzmeerregion ins Glas: ein leichter, fruchtiger Sommerwein aus der Rebsorte Plavé, einer alten moldawischen Sorte, sowie ein Chardonnay, der im milden Küstenklima elegante Frucht und zarte Mineralität entwickelt.
Der fünfte Wein war ein Rosé aus Cabernet Sauvignon – hergestellt nach kurzer Maischestandzeit, die ihm seine zarte Farbe und Fülle verleiht. Zum Abschluss ein ganz edler Tropfen, ein tiefdunkler Petit Boucher, eine Kreuzung aus Färbertrauben, intensiv im Aroma, vollmundig im Geschmack und mit einem langen Nachhall.

Danach gefragt, wo der Unterschied zwischen den Weinen aus dem Rheingau und der Ukraine liege, erklärte Pia Hartmann, dass „viele dieser Rebsorten in Deutschland gar nicht wachsen, und die klimatischen Bedingungen zwischen Odessa und Karpaten den Tropfen eine ganz eigene Handschrift geben.“ Umgekehrt würden die im Rheingau beheimateten Rebsorten in und um Odessa nicht gedeihen
Ein Fest der Sinne
Zwischen Gläserklirren, Lachen und den „Budmo!“-Rufen der Gäste verschmolzen Aromen und Begegnungen zu einem besonderen Erlebnis. Die mineralische Frische der Karpaten, die fruchtige Wärme der Schwarzmeerregion und die Tiefe des Petit Boucher erzählen auf der 48. Rheingauer Weinwoche von Landschaften, Menschen und Traditionen. Jeder Schluck ist mehr als Wein – er ist ein Stück Freundschaft im Glas.
Ausblick
Im Jahr 2026 wird die französische Kleinstadt Fondettes den Partnerschaftsweinstand betreiben. Fondettes liegt im Département Indre-et-Loire in der malerischen Region Centre-Val de Loire und hat rund 10.917 Einwohner (Stand: 1. Januar 2022). Die Stadt ist bekannt für ihre lebendige Kultur.
Foto oben ©2025 Volker Watschounek
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