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Wolfgang Niedecken udn Bap in der Brita Arena Wiesbaden.

Verdamp lang her – und doch so nah: BAP live in Wiesbaden

BAP spielen keine neuen Lieder – und dennoch wirkt der Abend in Wiesbaden erstaunlich lebendig. Die „Zeitreise“-Tour führt zurück zu „Waschsalon“, „Kristallnaach“ und einem kleinen Club am Kölner Chlodwigplatz. Dabei zeigt sich: Manche Zeilen haben auch nach vier Jahrzehnten später nichts an Appell und Aufforderung verloren.

Volker Watschounek 2 Monaten vor 0

Der Altersdurchschnitt liegt irgendwo bei sechzig. Doch bei „Verdamp lang her“ stehen alle. Da schunkelt selbst die Skepsis mit.

Der Altersdurchschnitt lag irgendwo zwischen Mitte fünfzig und Anfang sechzig. Viele kamen aus dem Rheingau, aus Bonn, aus Kaiserslautern. Einige sangen jede Zeile mit, andere hörten still zu – vor allem bei Songs wie „Bahnhofskino“. Wer in der Brita Arena Platz nahm, hatte BAP nicht nur gehört, sondern gelebt. Die Band aus Köln, deren Texte einst Jugendzimmer füllten, brachte am Montagabend graue Schläfen zum Glänzen.

Keine Nostalgie ohne Haltung

Wolfgang Niedecken betritt die Bühne mit einem Versprechen: „Nach dem Konzert werden wir 40 Jahre jünger sein.“ Und tatsächlich: Die Setlist reicht tief in die frühen Achtziger. Kein Song jünger als vier Jahrzehnte. Stattdessen: „Diese Nacht ist alles drin“, „Südstadt, verzäll nix“ und „Drei Wünsch frei“. Sieben Songs stammen vom Album „Zwesche Salzjebäck un Bier“ von 1984. Die Auswahl folgt keinem Zufall – sie folgt einem Konzept: Erinnerung mit Haltung.

Niedecken weiß, dass nicht jeder Text von damals seiner heutigen Meinung entspricht. „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu“, zitiert er den deutschen Liedermacher Wolf Biermann. Auch das gehört zu BAPs Zeitreise: Selbstkritik ohne Selbstverrat.

Waschsalon: Aus der Not ein Song

Silvester 1980. Niedecken will mit seiner Freundin nach Holland ans Meer. Die Ferienwohnung ist gebucht, doch sie fordern eigene Bettwäsche. Blöd nur: Zu Hause gibt’s keine Waschmaschine. Also ab in den neuen Waschsalon an der Bonner Straße.

„Ich wusste gar nicht, wie das geht“, erzählt er. „Wie ein Zigarettenautomat, nur mit Trommel?“ Was folgt, ist eine alltägliche Offenbarung: Die Technik funktioniert. Die Handtücher kommen sauber raus. Auf der Fahrt ans Meer schreibt er den Text zu „Waschsalon“, während Chuck-Berry-Riffs im Kopf kreisen. Aus Not wird Musik. Und der Alltag wird Poesie.

Zehnter Juni: Ein Song wie ein Transparent

BAP spielen in Wiesbaden auch „Zehnter Juni“ – und es wird still. Der Song erinnert an die große Friedensdemo in Bonn 1982, bei der Hunderttausende gegen atomare Aufrüstung demonstrierten. BAP waren dabei. Die Bühne stand im Hofgarten. Die Wut war echt.

„Ich singe, weil ich nicht mehr schweigen kann“, heißt es im Lied. Und auch 2025 trifft die Zeile ins Mark. Kriege, Radikalisierung, Empathieverlust – nichts davon wirkt fern. Niedecken singt mit leiser Wut. Das Publikum hört mit gespannter Ruhe. „Zehnter Juni“ ist keine Rückschau. Es ist eine Mahnung.

Als BAP in den Osten sollte – und nicht durfte

Dann erzählt Niedecken von der geplanten DDR-Tour 1983. Die Band war eingeladen, Konzerte in Ostdeutschland zu spielen. Alles war vorbereitet. Doch die Behörden verlangten vorab die Texte – zur Prüfung, mit Änderungsrecht. Für Niedecken war klar: „Das machen wir nicht.“

Die Band verzichtete – und schrieb stattdessen den Song „Deshalv spill‘ mer he“. Eine klare Absage an Zensur, ein klares Bekenntnis zu künstlerischer Integrität. Der Song lebt bis heute. Und mit ihm die Erinnerung an eine Zeit, in der Haltung auch Karrieren gefährden konnte.

Kristallnaach und Jojo: Liedermacher in der Grauzone

Auch „Kristallnaach“ bleibt ein Brennglas. Der Song über Antisemitismus, damals wie heute erschreckend aktuell, wird von vielen mitgesungen – mit angehaltenem Atem. Andere Lieder, wie „Jojo“ oder „Müngersdorfer Stadion“, wechseln den Tonfall. Vom Politischen ins Persönliche, vom Aufbegehren ins Abgeklärtsein.

„Jojo“, die Geschichte einer gefallenen Glamour-Figur, ist kein leichter Song. Und genau deshalb passt er in diesen Abend. Niedecken erzählt nicht, um zu gefallen. Er erzählt, um zu erinnern. An seine Zeit als Zivildienst-Leistender.

Finale mit Zauberformel

Knapp 90 Minuten steht die Band bereits auf der Bühne. Als die Band „Verdamp lang her“ anstimmt, hält niemand mehr den Platz. Die Stimmen fliegen, der Chor des Publikums trägt den Song weit über die Arena hinaus. Dann „Frau, ich freu mich“. Dann: Zugaben.

„Do kanns zaubere“, ruft Niedecken – und genau das geschieht. Die Bühne leuchtet, aber ohne Pomp. Kein Pyro, kein Pathos. Nur Musik. Und Haltung. Mit dem 1984er Song „Sendeschluss“ geht der Abend zu Ende. Leise. Klar. Stark.

Epilog: Der Chronist mit Gitarre

Wolfgang Niedecken war nie nur Musiker. Er war immer auch Chronist, Übersetzer, Mahner. Seine Songs erzählen von Waschsalons, Friedensmärschen, Kölner Eckkneipen – aber sie erzählen auch vom Mut zur Meinung, vom Privaten im Politischen. Wer ihm an diesem Abend zuhörte, hörte mehr als alte Lieder. Er hörte die Geschichte einer Generation – und den leisen Appell, nicht aufzuhören zu singen. „Do kanns zaubere“.

Die Bilder der Veranstaltung sehen Sie hier in der kompakten Bildergalerie.

Foto – Bap in der Brita Arena ©2025 Volker Watschounek

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