Neujahrsempfang der Linken in Wiesbaden: Politik in turbulenten Zeiten. Klare Worte zu sozialen Fragen, Migration und Wahlkampf. Aufbruchsstimmung pur.
Sonntagvormittag im Palast im Palast Hotel am Kranzplatz. Zwischen schweren Vorhängen, Prunk und dem Murmeln der Anwesenden schwingt spürbar Spannung. Eine Woche vor der Bundestagswahl und drei Wochen vor der Oberbürgermeisterwahl versammelt sich die Linke, nicht nur unter sich, sondern auch im Beisein von einzelnen Stadtverordneten der Grünen, SPD und Volt, Partner in der Kooperation. Die Themen, die Wiesbadens politische Szene bewegen, sind nicht minder schwer als die Atmosphäre im Saal.
Eine Welt in der Krise
Wiesbadens Dezernentin für Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz, Milena Löbke, begrüßt die Gäste. Ihr Blick wandert durch die Reihen, ihre Stimme hebt sich klar. Wir leben in schwierigen Zeiten, beginnt sie und verweist auf die globale politische Lage. Sie zieht eine Linie von den USA unter Donald Trump bis zu den Kriegen in der Ukraine und anderswo. Die Welt ist fragil, unsere Demokratie wird an vielen Stellen ausgehöhlt.
Mit scharfen blick skizziert sie die internationale Lage: das wachsende Erstarken des Rechtspopulismus, Kriegsgefahren, Klimawandel, wirtschaftliche Krisen. Ihre Worte hallen nach.
Unsicherheit und soziale Schieflagen
Auch in Deutschland, so Löbke, brenne es an allen Ecken und Enden. Die Preise explodieren, die Wirtschaft schwankt. Während die einen nicht wissen, wie sie ihre Miete bezahlen sollen, jetten andere im Privatflieger zum Feiern nach Sylt. Und doch konzentriert sich der Wahlkampf derzeit auf ein Thema: Migration.
Die Erzählung der AfD, Migration sei die größte Bedrohung, sei längst in die Mitte der Gesellschaft eingesickert. Kommunen seien überfordert, nicht mit den Geflüchteten, sondern mit der Sparpolitik der letzten Jahre, die ihnen jede Luft zum Atmen genommen habe. Löbke fordert eine klare Haltung: Nicht die Geflüchteten sind das Problem, sondern die Ursachen, die sie zur Flucht zwingen! Der Applaus, der folgt, ist laut und entschlossen.
Wiesbaden als Beispiel progressiver Politik
Trotz der bundesweiten Herausforderungen hebt Löbke hervor, dass Wiesbaden ein anderes Beispiel setze. Wir stehen für eine solidarische Politik, betont sie. Mit der rot-rot-grünen Kooperation, ergänzt durch Volt, sei es gelungen, soziale und ökologische Projekte voranzutreiben. Der Ausbau von Sozialwohnungen, Investitionen in Schulen und Kitas, eine nachhaltige Verkehrspolitik – all das sei das Ergebnis progressiver Politik.
Besonders stolz zeigt sich Löbke über den bald startenden Gesundheitskiosk, ein niedrigschwelliges Angebot für Armutsbetroffene. Auch das neue Bleiberechtsprojekt, das Geduldeten und Gestatteten durch Arbeitsmarktintegration eine Perspektive bieten soll, nennt sie als wichtigen Erfolg.
Kampfgeist und Aufbruchsstimmung
Die Veranstaltung markiert nicht nur den Beginn des Wahlkampfes, sondern auch eine Standortbestimmung der politischen Linken in Wiesbaden. Wir erleben eine historische Zäsur, sagt Löbke. Unsere Partei wurde für tot erklärt, aber wir sind lebendiger denn je. Die Neumitgliederzahlen steigen, die Bewegung gewinnt an Kraft.
Als Ingo von Seemen, der Oberbürgermeisterkandidat der Linken, auf die Bühne tritt, unterstreicht er den politischen Aufbruch. Er erinnert an die schwierigen Koalitionsverhandlungen und die Widerstände, die es zu überwinden galt. Heute stehe Wiesbaden für eine andere, gerechtere Politik.
Die Wahl als Richtungsentscheidung
Die bevorstehende Wahl, das betonen alle Redner, sei nicht nur eine politische Abstimmung, sondern eine Richtungsentscheidung. Es geht darum, ob wir weiter nach rechts abrutschen oder ob wir eine soziale, solidarische Zukunft gestalten, fassen die Bundestagsabgeordnete Janine Wissler, der Spitzenkandidat Daniel Winter zusammen mit Löbke und van Seemen zusammen.
Der Neujahrsempfang endet mit Applaus, aber nicht mit Resignation. Im Gegenteil: Der Saal verlässt den Raum mit dem unmissverständlichen Gefühl, dass der Kampf erst beginnt.
Foto – Ingo von Seemen, OB-Kandidat für Wiesbaden ©2025 Volker Watschounek
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