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Der Kulturbeirat Wiesbaden fordert mindestens 1,2 Millionen Euro mehr für Kultur – sonst droht die freie Szene in der Stadt wegzubrechen.

Wiesbaden spart seine Kultur kaputt, Kulturbeirat fordert Kurswechsel

Der Kulturbeirat Wiesbaden warnt: Die Stadt spart ihre Kultur kaputt. Sinkende Anteile am Haushalt und gekürzte Projektmittel bedrohen die freie Szene existenziell. Das Gremium fordert mindestens 1,2 Millionen Euro zusätzlich – und ein klares Bekenntnis zur Kultur.

Grafik: Kathleen Rother Redaktion 2 Wochen vor 0

Wiesbadens Kulturbeirat fordert 1,2 Millionen Euro mehr für Kultur. Sonst droht die freie Szene zu zerbrechen – und die Stadt verliert Vielfalt.

Die Worte fallen klar, fast scharf: Der Kulturbeirat hat in seiner Sitzung am 19. August die anhaltende mangelnde Wertschätzung für die Kultur im städtischen Haushalt kritisiert: Der Anteil der Kulturausgaben fällt naxch dem Entwurf des Kämmerer von 3,6 Prozent (2023) über 3,19 Prozent (2024) und 2,99 Prozent (2025) auf rund 2,8 Prozent – trotz steigender Einnahmen der Stadt.

Sinkende Anteile, steigende Sorgen

Der Kulturentwicklungsplan soll 2026 gerade einmal 50.000 Euro erhalten. Auch die Projektmittel stürzen ab – von 240.000 Euro im Jahr 2024 auf nur noch 80.000 Euro zwei Jahre später. Für freie Träger bedeutet das nicht weniger, sondern schlicht: Existenzangst.

Ein Appell an die Politik

Der Kulturbeirat verlangt deshalb mehr als kosmetische Korrekturen. Er fordert die Umsetzung aller Juryempfehlungen, eine Dynamisierung der Zuschüsse nach Preisindex, die Stärkung der Projektförderung und die Fortführung des Kulturentwicklungsplans. Die Rechnung ist klar: mindestens 1,2 Millionen Euro zusätzlich.

„Kultur ist keine Kür“

„Die freie Szene droht einzubrechen“, warnt der Vorsitzende Dr. Helmut Müller. Kunst und Kultur seien Räume für Dialog und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wer sie aushöhlt, schwächt die Stadt selbst. Der Kulturbeirat richtet deshalb einen dringenden Appell an die Fraktionen im Rathaus. Schreiben nachfolgend!

Brief zum Kulturhaushalt 2026

an die Fraktionsvorsitzenden und kulturpolitischen Sprecher:innen

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach einer Debatte über den Kulturhaushalt im Kulturbeirat blickt das Gremium mit Spannung und in großer Sorge auf die kommenden Haushaltsberatungen. Nach intensiver Vorbereitung einer Arbeitsgruppe und mit einstimmigem Beschluss formuliert der Beirat dieses Schreiben an Sie als Entscheiderinnen und Entscheider über die dringend notwendigen Änderungen am Kulturhaushalt für 2026.

Wir haben mit der Einbringung des Kämmererentwurfs den dritten Kürzungshaushalt in Folge vorliegen und starten in die dritte Debatte über die Notwendigkeiten für die Kultur in Wiesbaden. Das, was die Kultur mindestens braucht, hat noch keine Berücksichtigung gefunden – zumal in Zeiten, in denen nominale und reale Werte weit aueinanderdriften

Anteil der Kulturausgaben am Gesamthaushalt sinkt

Der Anteil der Kulturausgaben am Gesamthaushalt sinkt seit drei Jahren kontinuierlich – bei steigenden Einnahmen der Stadt. Der Datenerhebung im Kulturbereich kann man entnehmen, dass der ursprüngliche Anteil von 3,6 Prozent (2023) erst auf 3,19 Prozent (2024) und dann auf 2,99 Prozent (2025) gesunken ist. Mit dem eingebrachten Kämmererentwurf sinkt der Anteil der Kulturausgaben erneut – und damit die politische Gewichtung der Kultur – auf ca. 2,8 Prozent (2026). 

Was sich im Großen zeigt, zeigt sich auch im Kleinen. An einigen Beispielen lässt sich demonstrieren, dass die angesetzte Finanzierung respektive die Nicht-Erhöhung zu schwerwiegenden Problemen führt.

Kulturentwicklungsplanung – von 1.000.000 Euro auf 50.000 Euro

Der Wiesbadener Kulturentwicklungsplan wurde 2020 mit breiter politischer und zivilgesellschaftlicher Zustimmung aufgelegt, um die Kulturlandschaft Wiesbadens zukunftsfähig aufzustellen und Entwicklungsperspektiven vorzudenken. Wie die Fortschreibung des Kulturentwicklungsplans 2025 zeigt, konnten zahlreiche Vorhaben realisiert bzw. veranlasst werden. Von dem umfassenden Startbudget über 1.000.000 Euro, das im Doppelhaushalt 2022/23 für diese Umsetzungen vorgesehen war, ist im Kämmererentwurf für 2026 mit 50.000 Euro nur noch ein Bruchteil vorhanden. Die Idee des Kulturentwicklungsplans, im kulturpolitischen Diskurs zwischen Politik, Verwaltung und Kulturträgern Leitplanken zu setzen, zu verstetigen und weiter zu entwickeln, ist damit nicht mehr möglich.  

Freie Projektmittel – von 500.000 Euro auf 80.000 Euro

Die Projektmittel des Kulturamts sinken erneut. Dieser Kahlschlag betrifft alle nicht institutionell geförderten Akteure und ist vor allem ein Gradmesser für die Ermöglichung und Realisierung von neuen und innovativen Kunst- und Kulturprojekten, vor allem auch jüngerer Kulturschaffender. Die freien Projektmittel sinken in diesem Haushalt erneut von ursprünglich 500.000 Euro auf die absurde Größe von 80.000 Euro.

Institutionelle Förderung der frei-gemeinnützigen Träger

Die Bedarfe, die sich in der freien Szene durch Kostensteigerungen ergeben, werden vor jedem neuen Haushalt in den „Anträgen auf institutionelle Förderung“ erhoben und vom Kulturamt eingeschätzt. Generell ist damit bereits eine starke Kürzung der Antragssumme verbunden.                                                                                              Eine Maßnahme aus der Umsetzung der Kulturentwicklungsplanung ist die Einrichtung eines Juryverfahrens, um objektivierte Empfehlungen zur Höhe der institutionellen Zuschüsse zu erhalten. Die Stadtverordnetenversammlung hat 2021 zu einer Magistratsvorlage einen positiven Beschluss gefasst. Die Umsetzung der Empfehlungen, die daraus entstehen, ist deswegen folgerichtig das Mindestmaß, um eine Gleichbehandlung in der öffentlichen Kulturförderung zu erreichen.

Seit Beschluss dieses Verfahrens, das für die Beratungen des Haushalts 2024 erstmals Anwendung erfuhr, wurde diesen Empfehlungen allerdings nicht gefolgt – mit Ausnahme vom letzten Jahr, in dem 80 Prozent der Empfehlungen durch den Haushaltsbeschluss in der Stadtverordnetenversammlung umgesetzt wurden. 

Auch die Kulturförderung braucht Dynamisierung und Planbarkeit

Teil dieser Vorlage war ebenso die Empfehlung zur Einrichtung einer Dynamisierung der Zuschüsse nach Preisindex und einer Förderperiode nach vier Jahren. Die Dynamisierung und Verlängerung der Förderperiode wurden nicht umgesetzt. 

Die im neuen Kämmererentwurf für das Jahr 2026 vorgelegte Fortschreibung dieses Bereichs der Kulturausgaben auf Basis von 2025 liest sich auf den ersten Blick wie ein Erfolg. Für die Förderempfängerinnen und -empfänger ist sie aber – unter Betrachtung der massiven allgemeinen Preissteigerungen in den Betriebskosten (Energiekosten, Mieten etc.), der Erhöhung des Mindestlohns und den damit verbundenen Verschiebungen im Personalkostenbereich, den allgemeinen Steigerungen der Personalkosten, die auch freie Träger treffen – eine faktisch massive Kürzung. Seit 2020 ist der hessische Verbraucherpreisindex um mindestens 22,2 Prozentpunkte gestiegen (Stand: Juli 2025). Wie lange die Kulturinstitutionen diese Entwicklung noch mitmachen können, ist nicht absehbar.

Ungleichbehandlung der institutionellen Zuschussempfänger

Das führt zu einem weiteren Punkt, der eine Schieflage in der Betrachtung der Kulturausgaben offenbart: Die Ungleichbehandlung von Kultur unter öffentlicher Ägide gegenüber frei-gemeinnützigen Kulturträgern. 

Beispielhaft – weil es in eigenen Vorlagen veröffentlicht wird – wird hier das Hessische Staatstheater Wiesbaden behandelt: So ist allein in den Jahren 2024 und 2025 zum Ausgleich von Tariferhöhungen[1] für den städtischen Anteil an den Personalkostensteigerungen zusätzlich zu dem im Haushalt ausgewiesenen Posten für das Staatstheater eine Bezuschussung von 636.900 Euro erfolgt. Für das Jahr 2026 stehen zusätzliche 735.290 Euro in den „weiteren Bedarfen“ des Kämmererentwurfs.

Die Sinnhaftigkeit von Lohn- und Gehaltserhöhungen wird niemand bestreiten. Hier geht es darum, die Konsequenzen dieses „Automatismus“ darzustellen: Ohne eine Erhöhung des Kulturhaushalts werden alle anderen Bereiche des Kulturetats entsprechend relativ verknappt. Das betrifft die öffentlichen, aber vor allem die freien, institutionell geförderten Einrichtungen. 

Hierfür muss unbedingt eine Lösung gefunden werden, wenn man will, dass die frei-gemeinnützigen Kultureinrichtungen überleben. Bei einer reinen Fortschreibung ihrer Mittel werden sie dem finanziellen Druck nicht mehr standhalten: Schließtage, Programmreduzierung und Qualitätsabbau bis zur vollständigen Aufgabe sind die Folge. 

Rechtzeitig, klar und übersichtlich

Mit jedem weiteren, großen Kulturprojekt mit hohen Investitions- und Betriebskosten wird sich diese Lage noch weiter verschärfen. Es ist deswegen unerlässlich, dass eine Liste geplanter kultureller Projekte und Investitionen inklusive eines voraussichtlichen Zeitplans erstellt wird und die antizipierbaren damit verbundenen Kosten schon heute sichtbar werden. Es braucht zudem frühzeitige, verbindliche Beschlüsse, damit nicht Planungsmittel in erheblicher Höhe für Projekte ausgegeben werden, die dann nicht mehr oder völlig anders umgesetzt werden. 

Was tun?

Der Kulturbeirat empfiehlt deswegen, mindestens die Umsetzung der in den „weiteren Bedarfen“ dargestellten Mittel 

für die institutionelle Förderung, 
für die Dynamisierung,
für alle Projektmittel des Kulturamts (hier geht die Forderung noch über die weiteren Bedarfe hinaus) und
für die Kulturentwicklungsplanung 

zu beschließen.  

Dies ist unter anderem:

220.000 Euro Projektförderung 
30.000 Euro Förderprogramm Kulturelle Bildung 
20.000 Euro Förderprogramm Darstellende Kunst 
694.100 Euro Umsetzung der Juryempfehlungen für die institutionelle Förderung 
135.000 Euro Umsetzung der Dynamisierung nach Preisindex für die institutionelle Förderung
100.000 Euro Mittel für die Kulturentwicklungsplanung
= 1.199.100 Euro Erhöhung der Kulturausgaben

Alle betonen die Wichtigkeit von Kunst und Kultur

Je schwieriger die Haushaltslagen werden, desto wichtiger wird es, dass die bestehenden Automatismen nicht zu noch schärferen Ungleichheiten und Unübersichtlichkeiten führen, die die Akteure gegeneinander ausspielen. Wenn sich die Tendenz der letzten städtischen Haushalte fortführt, wird die freie Szene „aufgefressen“. Wir wollen aber, dass alle überleben und leben können. Ganz generell gilt: Je unübersichtlicher die Welt wird, desto wichtiger wird die Rolle der Kultur als Mittlerin und Raumgeberin gesellschaftlicher Diskussion, als Taktgeberin für unseren Wandel. Wenn ihr diese Rolle durch fehlende Finanzierung nicht zugestanden wird, kann die Kultur in gesellschaftlichen Transformationen keine Rolle mehr spielen.

Wir sind der Überzeugung, dass das Anliegen des Kulturbeirats und seine Betrachtung die wirkliche Lage realistisch beschreibt. Wir hoffen, dass sie die Vorschläge und Gedanken in den Haushaltsberatungen entsprechend berücksichtigen

Foto oben © 2025 AI-generiert

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