Videowände, Datenströme, Disponenten im Dauereinsatz: In Wiesbadens neuer Verkehrsleitzentrale läuft alles zusammen – und rollt, wenn andere stehen.
Die neue Leitstelle von ESWE Verkehr gleicht einem Hochsicherheitscockpit: Großformatige Videowände, vernetzte Daten aus über 160 Bussen, 41 Außenkameras und Echtzeit-Zugriffe auf alle Haltestellen im Netz. Mitten im Raum: ergonomische Schreibtische, leise, höhenverstellbar, temperaturstabil. „Früher waren hier zusammengestückelte Arbeitsplätze auf engstem Raum“, sagt Betriebsleiter Klaus-Peter Wollny. Heute regiert Übersicht statt Improvisation.
24/7 im Dienst – auf jedem Kanal
„Ein Normalbetrieb? Gibt’s in Wiesbaden nicht“, bringt Geschäftsführerin Marion Hebding die Situation auf den Punkt. Ob Unfall, Demonstration, Wasserrohrbruch oder schlicht eine verspätete Pausenablösung – die Disponenten reagieren in Sekunden. Mal mit Datenfunk, mal mit kurzen Funk-Textnachrichten. „Ein stehender Bus ist ein schlechter Bus“, sagt Wollny trocken. Also wird immer mal wieder außerhalb der Fahrpläne umgeleitet, getauscht, ergänzt – möglichst ohne dass der Fahrgast etwas merkt.
Digitalisierung mit Tiefgang
Das der Fahrgast nichts merkt gelingt heute immer besser. Jeder Bus liefert hierzu sekundengenau Daten: Position, Ladezustand, Besetzung, Kurs. Dazu melden Fahrer einzelne Schäden oder Störungen per iPad. Haltestellenanzeigen lassen sich per Knopfdruck aus der Leitzentrale einfach steuern. Ein kleiner Sondertext? Eine Umleitungswarnung? Wird direkt individuell auf den jeweiligen Anzeiger an den Fahrstelle gejagt – nach Rechtschreibprüfung versteht sich.
Ein Ort zum Arbeiten, nicht zum Aushalten
Ergonomische Schreibtische, individuelle Lichtsteuerung, akustisch abgeschirmte Plätze: So betrachtet ist die neue Leitstelle auch ein Statement für betriebliches Gesundheitsmanagement. „Wir wollen, dass unsere Leute länger gesund arbeiten können“, betont die ESWE-Geschäftsführerin. Ein aufgeräumter Arbeitsplatz, leise Umgebung, weniger Stress. Und für den Notfal, befinden sich in der Leitstelle immer Ersatzfahrer, die auf Abruf im gesamten Netzgebiet einspringen können.
Rund 600.000 Euro hat ESWE Verkehr die neue zentrale Leitstelle investiert – nicht nur in Monitore, Möbel und Schreibtische, sondern in ein System, das künftig mitwachsen kann. Mehr als 3.287 Meter Datenkabel wurden verlegt, mehrere Hohlraumboden ziehen sich durch alle Räume. „Wir wollten keine Sackgasse bauen“, und nicht wieder in naher Zukunft einen weiteren Flickentepich aufbauen sagt Verkehrsleiter Dietmar Schneider. „Sondern eine Struktur, in der zukünftige Ausbaustufen nicht im Keim erstickt werden.“

Disposition trifft Ausfahrt – eng verzahnt
Ein weiterer entscheidender Fortschritt zu früher: Die Disposition und Ausfahrt sitzen nun Tür an Tür, statt wie früher getrennt in verschiedenen Bereichen. Aus rund 50 Quadratmetern ist eine neue Schaltzentrale mit 80 Quadratmetern engeworden. Das verbessert nicht nur die Kommunikation, sondern auch die Reaktionsfähigkeit. Wer wann welches Fahrzeug übernimmt, wo es steht, wie lange es geladen ist – all das kann der Disponent jetzt direkt mit dem Fahrer nicht nur besprechen, sondern auch zeigen. Auf einem gesonderten Monitor sind alle E-Busse samt Startzeitpunkt und Standort gelistet. Dieselbusse folgen bald.
Brandtechnik, Hohlboden, Akustik: Die Details zählen
Neben Technik und Organisation war die Modernisierung auch eine bauliche Herausforderung: Eine Neue Brandmeldetechnik musste installiert, die Decken abgehängt, die Akustik verbessert und die Beleuchtung flexibel gestaltet werden. Der angesprochene Hohlboden sorgt dafür, dass nachträgliche Kabelverlegungen problemlos möglich sind. Schallschutzwände hinter jedem Arbeitsplatz ermöglichen konzentriertes Arbeiten, selbst wenn im Nachbartisch gerade ein Funkgespräch läuft.
„Der Unterschied zu einst ist wie Tag und Nacht“, sagt Betriebsleiter Klaus-Peter Wollny. Und das nicht nur optisch.
Ein Ort zum Durchatmen – auch in Krisenzeiten
Die Leitstelle arbeitet 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr. Mindestens 160 Busse sind gleichzeitig unterwegs, an Spitzentagen sogar über 230. Umleitungen, Unfälle, Demonstrationen oder Personalwechsel – jeder Zwischenfall wird hier erfasst, bewertet und gelöst. Eine Pünktlichkeitsstatistik wird geführt, doch wichtiger ist der Ausfallindikator. „Und der liegt bei gerade mal 0,4 Prozent“, betont ESWE-Verkehr Geschäftsführerin Marion Hebding. Eine Quote, die sich sehen lassen kann.
Ergonomisch höhenverstellbare Tische, individuell steuerbare Beleuchtung, ruhige Umgebung – all das ist Teil eines ganzheitlichen Konzepts, das nicht nur Technik, sondern auch Menschen in den Mittelpunkt stellt. „Wer hier arbeitet, soll nicht nur funktionieren, sondern sich auch konzentrieren können“, sagt Hebding. „Und möglichst lange gesund bleiben.“
Bild – Neue Leitstelle, Blick Hinter den Kulissen ©2025 Volker Watschounek
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