Wiesbaden baut zwölf neue Gasbrunnen auf der Deponie Dyckerhoffbruch und spart damit Treibhausgase. Ein unsichtbares wirksames Projekt – mit Potenzial.
Von außen wirkt die Deponie Dyckerhoffbruch unscheinbar. Ein Hügel, begrünt, umzäunt, unspektakulär. Doch darunter brodelt es – nicht im übertragenen, sondern im chemischen Sinn. Mikroorganismen zersetzen organische Abfälle, dabei entstehen Gase: Methan, Kohlendioxid, Gemische mit klimapolitischer Sprengkraft. Doch statt sie einfach in die Atmosphäre entweichen zu lassen, holt Wiesbaden sie systematisch an die Oberfläche – und nutzt sie sinnvoll.
Jetzt gehen die Entsorgungsbetriebe der Landeshauptstadt Wiesbaden (ELW) einen Schritt weiter. Zwölf neue Vertikalgasbrunnen sollen den Gaserfassungsgrad verbessern – und damit nicht weniger als rund 600.000 Tonnen CO₂-Äquivalent einsparen. Das entspricht in etwa dem, was 60.000 Bundesbürger in einem Jahr ausstoßen.
Wo gebohrt wird, geht’s ans Eingemachte
Die Planung ist abgeschlossen, die Baustraßen bereits im Juni 2025 angelegt. Jetzt beginnen die eigentlichen Arbeiten: Vier Brunnen auf Deponieabschnitt I (DA I) werden zwischen 20 und 37 Meter tief gebohrt. Acht weitere folgen im Abschnitt III (DA III), hier reichen 20 Meter aus.
Bisher saugen in DA I 49 vertikale Gasbrunnen das entstandene Deponiegas ab. In DA III kommen 18 vertikale und 21 horizontale Drainagen zum Einsatz. Doch die 2022 durchgeführte Potenzialstudie zeigt: Es geht noch effizienter. Durch gezielte Tiefenbohrungen und neue Gasleitungen lässt sich das Potenzial der Deponie deutlich besser ausschöpfen – und damit auch das Klima wirksamer schützen.
Methan sinnvoll nutzen – nicht entweichen
Was da unten passiert, klingt technisch, ist aber klimapolitisch hoch relevant. Denn Methan – das Hauptgas, das in Deponien entsteht – ist etwa 25-mal klimaschädlicher als CO₂. Wird es jedoch kontrolliert erfasst, lässt es sich nicht nur „unschädlich“ machen, sondern sogar in Strom und Wärme verwandeln.
Diese effiziente Nutzung funktioniert nur, wenn das Gas auch wirklich zuverlässig abgesaugt wird. „Der Gaserfassungsgrad muss stimmen“, erklärt Andreas Brosi, Abteilungsleiter Technik bei der ELW. „Mit den neuen Brunnen verbessern wir die Absaugung entscheidend – und können dadurch die verbleibende Restorganik vollständig abbauen.“
Die Zahlen sprechen für sich: Im DA I rechnet man mit einer Reduktion von 100.000 Tonnen CO₂-Äquivalent, im größeren Abschnitt III sogar mit 500.000 Tonnen. Auch wirtschaftlich lohnt sich das Projekt: Der Bund unterstützt über den Klima- und Transformationsfonds mit einem Zuschuss von 30 Prozent – ausgereicht über die Organisation „Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (ZUG)“.
Bürokratieabbau im Untergrund
Das Projekt zeigt auch: Bürokratieabbau kann ganz konkret aussehen. Wo Genehmigungen früher Monate dauerten, gingen sie diesmal zügig durch. Die Förderzusage kam frühzeitig, die Planung wurde effizient umgesetzt. Ein Beispiel dafür, wie technischer Fortschritt und Verwaltungshandeln Hand in Hand gehen können – wenn man denn will.
Was wie ein tiefbohrender Verwaltungsvorgang wirkt, ist tatsächlich aktiver Klimaschutz mit Langzeitwirkung. Und vielleicht liegt ja genau darin das Erfolgsrezept: Weniger Symbolpolitik, mehr Schaufelarbeit. Und das durchaus wörtlich.
Foto – Auf der Deponie Dyckerhoffbruch wird gebohrt, was das Gas hält – zwölf neue Brunnen sollen das Methan einfangen und so 600.000 Tonnen CO₂-Äquivalent einsparen.
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